Pressemeldung: Gesellschaft für Informatik e.V. (GI)
Noch immer ist der Anteil an Mädchen und Frauen in der Informatik gering. Warum das so ist – und was dagegen getan werden kann, zeigt eine Studie, die sich mit den Teilnehmenden der Bundesweiten Informatikwettbewerbe befasst hat. Die wichtigsten Empfehlungen: möglichst früh Berührungspunkte zur Informatik schaffen, Selbstwert- und Gemeinschaftsgefühl stärken, Vorbilder schaffen und Stereotype brechen.
Der Gender-Gap in der Informatik ist nicht zu übersehen: Im Jahr 2020 lag der Frauenanteil in der IT von deutschen Unternehmen bei lediglich 18 Prozent, in IT-lastigen Studiengängen sind nur 25 Prozent der Studierenden weiblich. Wie früh sich diese Entwicklung abzeichnet, zeigen die Teilnehmendenzahlen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Bundesweiten Informatikwettbewerbe (BWINF): Die Mädchenbeteiligung sinkt dabei mit zunehmendem Alter von 50 Prozent beim Informatik-Biber in Klasse 5 auf unter zehn Prozent in der Endrunde des Bundeswettbewerbs Informatik.
In einer Studie im Auftrag von BWINF hat das nexus-Institut mehr als 3.000 Teilnehmende im Alter von zehn bis 21 Jahren befragt und die Gründe für die nachlassende Mädchenbeteiligung an den Wettbewerben untersucht. Demnach steht das soziale Selbstbild für Mädchen mit steigendem Alter zunehmend im Konflikt mit dem Interesse an der Informatik. Auch das Fehlen von engen Kontaktpersonen oder einer sozialen Gemeinschaft im Informatikbereich sind Hürden. Gleichzeitig identifiziert die Studie Handlungsempfehlungen, um mehr Mädchen für die Wettbewerbe und die Informatik zu begeistern. Eine möglichst frühe Förderung der Mädchen, die Vermittlung der Informatik in gemeinschaftlichen Lern-Settings und ko-kreativen Prozessen sowie weibliche Vorbilder und Bezugspersonen steigern das Interesse der Mädchen.
Christine Regitz, Präsidentin der Gesellschaft für Informatik: „Wir können es uns nicht länger leisten, dass sich so wenige Mädchen für die Informatik entscheiden. Wir brauchen die Kreativität, das Engagement und die Ideen der Mädchen und Frauen, um die Herausforderungen unserer Zeit mithilfe der Informatik zu lösen. Um gesellschaftliche Stereotypen zu brechen, müssen in der Bildung bereits früh Berührungspunkte zur Informatik geschaffen werden: durch erste informatische Inhalte in der Grundschule und ein verpflichtendes Schulfach Informatik spätestens ab der Mittelstufe.“
Symptom: Abnehmendes Interesse der Mädchen mit zunehmendem Alter
Die Teilnahmezahlen der Wettbewerbe zeigen, dass das Interesse an der Informatik bei Jüngeren noch gleichmäßig verteilt ist: Im sehr niederschwelligen Informatik-Biber, an dem im letzten Jahr 430.000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen haben, liegt der Mädchenanteil in Klassenstufe 5 und 6 bei 50 Prozent. In der Oberstufe reduziert er sich bereits auf 35 Prozent. Beim Jugendwettbewerb Informatik mit zuletzt 35.000 Teilnehmenden sind in der letzten Runde lediglich 23 Prozent weiblich, und im Leistungsbereich – dem Bundeswettbewerb Informatik mit etwa 1.600 Teilnehmenden – geht der Anteil der Mädchen von 15 Prozent in der ersten Runde auf sieben Prozent in der Endrunde zurück.
Dr. Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: „Dem Gender-Gap in der Informatik müssen wir entschieden entgegentreten. Denn IT-Kompetenz ist keine Frage des Geschlechts. Für exzellente Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft brauchen wir alle Talente. Die mit der Studie belegte Notwendigkeit der frühen Förderung von MINT-Kompetenzen, insbesondere auch bei Mädchen, setzt das BMBF bereits mit vielen Fördermaßnahmen entlang der gesamten Bildungskette um, mit Start ab der Kita. Mit dem MINT-Aktionsplan 2.0 verstärken wir unser Engagement zur Fachkräftegewinnung und für mehr Chancengerechtigkeit. So werden bis Jahresende rund 50 MINT-Cluster die außerschulische Bildungslandschaft ergänzen. Hierbei werden Mädchen und junge Frauen über geeignete Formate und persönliches Mentoring adressiert. Auch unsere Kommunikationsoffensive MINTmagie zielt darauf, überkommene Stereotype im MINT-Kontext aufzubrechen und die spannende Vielfalt von MINT im Alltag aufzuzeigen. Wichtige Angebote zur Stärkung der Mädchenbeteiligung in diesem Zusammenhang sind auch die Bundesweiten Informatikwettbewerbe sowie der jährliche Girls‘ Day.“
Gründe: Zwischen Selbstbild und Stereotypen
Während laut der Studie von nexus bei Jungen das Interesse an Informatik im Laufe des Heranwachsens steigt, sinkt es bei Mädchen. Neben dem eigenen sozialen Selbstbild und dem Fehlen von engen Kontaktpersonen spielt für Mädchen auch Gemeinschaft eine große Rolle. Demnach nehmen mehr weibliche Teilnehmende an den Wettbewerben teil, wenn bereits andere Mädchen aus der Klasse mitmachen. Mangelnde Unterstützung von Lehrkräften, wenig Teamarbeit und wenig Förderung an der Schule erschweren es, das Interesse der Mädchen zu wecken. Die Studie hat auch gezeigt, dass Selbstbewusstsein eine große Rolle spielt: Mädchen sind in allen drei Wettbewerben stärker als Jungen überrascht, wenn sie gute Ergebnisse erzielen.
Zudem haben Stereotype in der Informatik unterschiedliche Wirkungen auf Mädchen und Jungen. Der „Nerd“-Stereotyp – wenig soziale Kontakte und den ganzen Tag am Computer – hat zwar für alle einen negativen Effekt auf Interesse und Wettbewerbsteilnahme, dieser ist aber bei Mädchen stärker ausgeprägt. Der Stereotyp rund um das Thema Erfolg – verbunden mit Intelligenz und Wohlstand – wirkt sich positiv auf Interesse und Teilnahme aus, tut das bei Mädchen aber weniger stark.
Lösungsansatz: Frühe Förderung und Gemeinschaftsgefühl stärken
Dr. Wolfgang Pohl, Geschäftsführer der Bundesweiten Informatikwettbewerbe: „Das Informatik-Interesse bei Mädchen muss bereits früh gefördert und bestärkt werden – am wirkungsvollsten in der Schule, aber nicht nur dort: Es braucht außerschulische und schulübergreifende Angebote, um Mädchen zu fördern und untereinander zu vernetzen. Da das Gefühl von Gemeinschaft für Mädchen sehr wichtig ist, sollte dies früh aufgebaut, gestärkt und langfristig gepflegt werden.“
Um Mädchen zur Teilnahme an den Wettbewerben – und somit für die Informatik – zu motivieren, ist es wichtig, die positiven Perspektiven in der Disziplin zu verdeutlichen und den positiven Effekt der Wettbewerbe auf diese zu unterstreichen. Zudem empfiehlt die Studie, die Teilnehmenden partizipativ in die Programmgestaltung mit einzubeziehen.
Die Studie finden Sie hier. Eine Zusammenfassung der Studie finden Sie hier.