Pressemeldung: Philologenverband NRW (PhV NRW)

Mit viel Offenheit und Neugier, aber auch mit einem hohen Maß an Unsicherheit – so blicken viele Gymnasiallehrerinnen und -lehrer auf die neuen Möglichkeiten, die ChatGPT & Co. ihnen für den Einsatz in Schule und Unterricht bieten. Die Unsicherheit bezieht sich vor allem auf die Frage, wie die textgenerierenden KI-Systeme möglichst rechtssicher eingesetzt und verwendet werden können. 755 Lehrkräfte haben sich an einer aktuellen Umfrage des nordrhein-westfälischen Philologenverbandes (PhV NRW) beteiligt. Neun Fragen zum praktischen Umgang und den offenen Fragen dazu haben die Pädagoginnen und Pädagogen beantwortet.

Dass die Unsicherheit im schulpraktischen Umgang mit Künstlicher Intelligenz groß ist, zeigt sich bei dieser Frage: Nutzen Sie ChatGPT im Unterricht? Nur etwa ein Fünftel (22%) der vom PhV NRW Befragten nutzt KI-Systeme bereits, 45 Prozent nutzen sie „noch nicht“, rund ein Drittel (33%) lehnt die Nutzung ab. Für die eigene Arbeit, etwa zur Unterrichts- und/oder Klausurvorbereitung, kommt ChatGPT sogar noch weniger zum Einsatz: Aktuell nutzen nur elf Prozent der Lehrkräfte das Programm, 34 Prozent experimentieren mit den neuen Möglichkeiten, die Mehrheit (54%) verzichtet auf den Einsatz von KI bei der Vorbereitung des eigenen Unterrichts.

Deutlicher wird diese Tendenz mit Blick auf die mögliche Nutzung durch Schülerinnen und Schüler in Haus- oder Facharbeiten. Fast 60 Prozent (59%) gestatten die KI-Hilfe nicht; 35 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer dulden die Nutzung, sofern sie kenntlich gemacht wird; grundsätzlich einverstanden mit der Verwendung von sogenannten „Prompts“ sind lediglich 7 Prozent.

Nur wenige Schulen machen Vorgaben zur Nutzung

Womöglich liegt die Zurückhaltung an fehlenden Vorgaben oder zu wenig Unterstützung im Umgang mit der neuen Technologie. Gibt es an Ihrer Schule Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT? 87 Prozent haben diese Frage mit einem „Nein“ beantwortet, 13 Prozent mit „ja“. Wenn es Vorgaben seitens der Schule gibt, wird laut Umfrage vor allem der Handlungsleitfaden aus dem Schulministerium genutzt. „Die Zahlen zeigen, dass viele der befragten Lehrkräfte grundsätzlich offen gegenüber der neuen Technologie sind“, sagt die PhV-Vorsitzende Sabine Mistler. „Dominierend sind aber eine große Portion Skepsis und viel Unsicherheit.“

Woran das liegen könnte, zeigen folgende Antworten: 28 Prozent der Teilnehmenden vermisst Hilfe beim Erkennen von KI-generierten Texten, fast ebenso viele (26%) hätten gern genauere Vorgaben zur rechtskonformen Nutzung. Knapp ein Viertel (24%) wünscht sich „konkrete Nutzungsbeispiele“ für Lehrkräfte, weitere 21 Prozent vermissen „themenbezogene Fortbildungen“. „Wir sehen, dass der Handlungsleitfaden aus dem Ministerium nur ein Anfang gewesen sein kann. Wir brauchen dringend einen runden Tisch sowie daran anschließend einen kontinuierlichen und regelmäßigen Austausch vor allem mit den Praktikern aus der Schule“, sagt Sabine Mistler.

Dass dies dringend notwendig ist, zeigt eine weitere Frage: Glauben Sie, dass KI-Systeme den Beruf der Lehrerin/des Lehrers verändern werden? 53 Prozent antworten darauf mit „ja“. Genannt in den Kommentaren werden häufig schriftliche Haus- oder Facharbeiten, deren Stellenwert und Aussagekraft sich mit der zunehmenden Verwendung von KI womöglich verändern werde.

Neue Prüfungsformate kritisch hinterfragen

Hierzu bedarf es zur Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer eindeutiger und differenzierter Vorgaben. Auch die Entwicklung von neuen Prüfungsformaten muss unter diesem Aspekt kritisch hinterfragt werden. 43 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer will sich bei der Frage nach Veränderungen für das Berufsbild aber noch nicht festlegen: 43 Prozent nennen als Antwort: Für eine solche Einschätzung ist es noch zu früh. Grundsätzlich halten Lehrkräfte Künstliche Intelligenz annähernd gleichermaßen für eine Bereicherung (ja/eher ja: 61%) wie für eine Gefahr (ja/eher ja: 59%).

„Die Unsicherheit im Umgang mit Künstlicher Intelligenz ist groß, das belegt unsere Umfrage eindeutig“, folgert Sabine Mistler. „Viele Fragen zu Möglichkeiten und Grenzen sind offen und bedürfen schnellstens Antworten.“ Die Vorsitzende des PhV warnt vor einer bestimmten Entwicklung: „Selbst, wenn Lehrkräfte den Einsatz von Chatbots im oder für den Unterricht aus pädagogischen Gründen ablehnen, kommen sie daran kaum vorbei. Ihre Schülerinnen und Schüler nutzen sie, und Lehrkräfte müssen die Verwendung erkennen können. Sie werden also faktisch ebenfalls zur Nutzung gezwungen.“

Zur Umfrage: Die PhV-Umfrage lief vom 20. bis 31. März 2023. 755 Personen haben sich daran beteiligt. 88 Prozent der Befragten sind an Gymnasien beschäftigt, weitere acht Prozent an Gesamtschulen. Jeweils zwei Prozent arbeiten an Weiterbildungskollegs oder anderen Schulformen. 15 Prozent der Teilnehmenden sind jünger als 35 Jahre; 35 Prozent sind bis 45 Jahre alt, bis 55 Jahre sind es 34 Prozent. Älter als 55 Jahre sind 16 Prozent der Befragten.

Die kompletten Ergebnisse finden Sie im Anhang.

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