Die Politik ringt um eine Fortsetzung des Digitalpaktes, während Schulen und Kommunen unsicher in die Zukunft schauen. Leah Schrimpf erklärt im didacta Digital Interview, warum es schnell eine Lösung braucht – und warum sie möglichst langfristig ausfallen muss.
Interview Vincent Hochhausen
Didacta Digital: Bund und Länder verhandeln derzeit über eine Weiterführung des Digitalpakts Schule. Was steht auf dem Spiel?
Leah Schrimpf: Vor allem die Planungssicherheit für Schulträger und Schulen. Viele Schulen haben die Gelder aus dem Digitalpakt bereits ausgegeben oder zumindest verplant. Ohne die klare Aussicht auf eine weitere Finanzierung können sie Anschaffungen und die Instandhaltung ihrer Systeme nicht planen. Der erste Digitalpakt stellte Gelder vor allem für die Anschaffung von Geräten und den Ausbau von gutem WLAN bereit, außerdem für Personal im IT-Support. Die Fortführung des Digitalpakts soll nun auch Lehr- und Lernmittel berücksichtigen – aber solange Form und Umfang nicht feststehen, können die Kommunen auch diese Anschaffungen nicht angehen. Die digitale Transformation der Schulen droht so ins Stocken zu geraten.
Das heißt, die Schulträger konnten durch den Digitalpakt viel investieren und drohen nun auf den Folgekosten sitzenzubleiben?
Ja, das ist das Problem. Durch eine Zusatzvereinbarung zum Digitalpakt konnten zum Beispiel zusätzliche Kapazitäten für den IT- Support geschaffen werden. Aber was nun mit diesen Stellen passiert, ist unklar. Ein ähnliches Problem stellt sich bei den Geräten: Ein Koffer mit 20 Tablets ist zwar eine einmalige Anschaffung – aber solche Geräte müssen mit der Zeit auch repariert oder ersetzt werden. Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die Politik bald eine verlässliche Perspektive schafft, wie es weitergeht.
Bis wann muss das passieren, damit es für die Schulen und Kommunen nicht kritisch wird?
Eine Entscheidung sollte bis zum Auslaufen des ersten Digitalpakts Schule feststehen, also bis zum 16. Mai dieses Jahres. Da bin ich allerdings nicht sehr optimistisch. Selbst wenn bis dahin nicht alle Details geklärt sind, wäre zumindest eine klare Aussage über die konkreten Pläne wünschenswert. Wenn sich die Entscheidung bis 2025 hinzieht, wird es kritisch.Dann würde die digitale Bildung an den Schulen leiden, weil notwendige Anschaffungen ausfallen
Was sollte ein Digitalpakt 2.0 umfassen?
Der Plan der Bundesregierung, diesmal auch digitale Lehr- und Lernmittel zu finanzieren, ist richtig. Zudem sollten auch Gelder für die Qualifizierung von Lehrkräften beim Umgang mit digitalen Geräten und Lehrmitteln eingeplant werden. Denn richtig gut funktioniert digital unterstützte Bildung dann, wenn das Bildungspersonal Tools sicher und kompetent einsetzen kann. Zudem wäre es sinnvoll, den Schulen eine gewisse Autonomie beim Einsetzen der Mittel einzuräumen, etwa über ein Experimentierbudget, mit dem sie zum Beispiel einen Design Thinking Space oder eine Robotik-AG einrichten können – je nachdem, welche Schwerpunkte die einzelne Schule selbst setzen will.
Sollte sich an der Organisation des Digitalpaktes etwas ändern?
Die Förderrichtlinien in den einzelnen Bundesländern waren sehr verschieden. Es wäre besser, wenn diese einheitlicher gestaltet werden könnten. Zudem sollte der Antragsprozess einfacher werden – der Digitalpakt Schule kam anfangs nur schwer ins Rollen, weil die Antragstellung sehr kompliziert war. Außerdem wäre es wichtig, noch mehr Transparenz zu schaffen, wofür die abgerufenen Mittel in den Schulen konkret verwendet werden und so eine Evaluation von Anfang an mitzudenken. Beim aktuellen Digitalpakt liegt die nämlich noch gar nicht vor, sondern beginnt gerade erst.
Wie viele Mittel werden benötigt?
Jährlich eine Milliarde Euro bis zum Jahr 2030 wäre das mindeste. Im Idealfall sollte der neue Digitalpakt sogar noch länger laufen – je weiter die Schulträger und Schulen planen können, desto besser.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass all das tatsächlich beschlossen wird?
Was die Höhe der Fördermittel und die Dauer der Förderung angeht, wage ich keine Prognose. Ich hoffe nur, dass auch trotz der schwierigen Haushaltslage nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Bundeshaushalt vor einigen Monaten die Bildung eine hohe Priorität in der Politik behält. Denn Schulen sind die Orte, die zukünftige Generationen formen. Was die Inhalte des Digitalpaktes angeht, so glaube ich, dass über die Förderung von digitalen Lehr- und Lernmitteln weitgehende Einigkeit besteht.
Warum ist es so wichtig, die Investitionen in die Schuldigitalisierung fortzuführen?
Ich sehe drei wichtige Gründe: Erstens haben wir derzeit einen enormen Lehrkräftemangel, das Personal an den Schulen ist überlastet. Gerade da können digitale Tools und Lehrmittel stark unterstützen, etwa durch vereinfachte Unterrichtsplanung, mehr Selbstlernzeiten oder hybride Unterrichtsformen. Zweitens ist es eine Frage der Chancengerechtigkeit, denn digitale Lernmittel bieten mehr Möglichkeiten zur individuellen Förderung von Schülerinnen und Schülern.
Und drittens?
Schule muss junge Menschen auf die Welt nach der Schule vorbereiten – und da ist die Arbeit mit digitalen Tools selbstverständlich. Diese Realität muss sich auch im Unterricht widerspiegeln. Letztlich muss die Entscheidung über die Weiterführung des Digitalpaktes im Interesse der Schülerinnen und Schüler getroffen werden. Denn sie werden später die digitale Transformation in der Gesellschaft mitgestalten.
Leah Schrimpf ist Bereichsleiterin Bildungspolitik beim Branchenverband Bitkom, in dem rund 2200 Unter nehmen aus der Digitalwirtschaft vertreten sind.
Weitere Infos zum Thema Digitalpakt, finden Sie in diesem Artikel.
Foto: Bitkom e.V.
Teaserbild: DALL·E